Karl Ballmer
«Abgefertigt!»
o.O., o.J. (Besazio ca 1963) Seite 3ff:
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Gewiß, Rudolf Steiner war von einer fast ärgerlichen Toleranz. Was nicht alles ließ er in seiner übermäßigen Toleranz zu! Ließ er nicht zu, daß die Entstehungsgeschichte des bisher wichtigsten Opus der Gattung «anthroposophisch orientierte Wissenschaft» ich meine Walter Johannes Steins Dissertation dunkel blieb? Ließ der Organisator des Karma der anthroposophischen Bewegung nicht zu, daß die Tätigkeit der Anthroposophischen Gesellschaft sich in der Aera Steffen als eine liebenswürdig harmlose Sache vor die Welt hinstellt, während man doch wissen kann, daß es Ernst gilt?
Ein Dr. Leiste hat es unternommen, das «offizielle» Desinteressement an Rudolf Steiners nicht ganz unscharf konturierter Anthroposophie so nackt zu demonstrieren, daß man erschrecken müßte wenn man etwas anderes erwartet hätte. Es besteht natürlich keine Veranlassung, sich mit Leuten in eine «Diskussion» einzulassen, denen ein geradezu unwahrscheinliches Maß von Nichtintelligenz die Erlaubnis ist, ernsthafte anthroposophische Erkenntnisleistungen zu beschmuddeln. Diesem Doctor Leiste habe ich nichts als dieses zu sagen: Leiste bleib bei deinem Schuster und Jeder mag sich dabei denken, was ihm beliebt. Über die Leistungen von Leistes diskutiert man nicht (man diskutiert auch nicht mit einem Häfelischüler die Wahrheit des Pythagoräischen Lehrsatzes, man läßt dem Häfelischüler die Chance offen, später Geometrie zu lernen) ; solches Zeug ignoriert man (ich denke hier an die ganz unwahrscheinlich blöde «Geisteswissenschaftliche Metaphysik», rechtschaffene philosophische Schundliteratur).
Für solche, die ihr Urteil über die anthroposophische Qualifikation jenes Herrn Leiste noch nicht abgeschlossen haben, sei im Folgenden ein schlichter Gedankengang im Anschluß an bestimmte sehr präzise Sätze Rudolf Steiners festgehalten. Dieser schlichte Gedankengang kann vielleicht der Urteilsbeschleunigung von Schwankenden dienlich sein.
In dem Dornacher Vortrage vom 17. Februar 1924 kommt Dr. Rudolf Steiner im Zusammenhang mit der Darlegung von Grundgesetzmäßigkeiten des Karmawirkens auf sein Buch «Die Philosophie der Freiheit» zu sprechen. Er erinnert daran, daß es in ' dem Buche «Die Philosophie der Freiheit» auf die «Freiheit des Gedankens» ankomme. Die sogenannte «Freiheit des Willens» sei ein undiskutables Problem. Der Wille sitze «tief unten im Unbewußten» und es sei «ein Unsinn, nach der Freiheit des Willens zu fragen». Man darf daran erinnern, daß der esoterische Lehrer «aus den Herzen der Hörer» heraus spricht, d. h. er dosiert seine Mitteilungen entsprechend der freien Verständnismöglichkeit der Zuhörenden. Man nehme also die Aussage, der Wille sitze «tief unten im Unbewußten», nicht als eine allgemein wissenschaftliche, sondern als esoterische;' d. h. man beleidige den Lehrer nicht mit der Insinuation, er meditiere in der erwähnten Aussage exoterische Selbsterkenntnis. Ich denke,
,es gibt unter älteren Anthroposophen beiderlei Geschlechts eine Anzahl, die mit mir die Unterstellung als Geschmacklosigkeit empfinden würden, der Lehrer j habe seinen eigenen schöpfersichen Willen als «tief unten im Unbewußten» deklarieren wollen.
Worauf es in jener Aussage ankommt, das ist die Klarstellung, daß das «Denken» der Bereich unseres Freiheitserlebens ist. Deswegen eröffnet sich uns im Nach denken der in Gedankenform mitgeteilten Resultate der Geistesforschung das Reich der Freiheit. Unseren «tief im Unbewußten» sitzenden Willen sollen wir dann als Anthroposophen von der im Gedanken inkorporierten geistigen Welt impulsieren lassen, um freie Menschen zu werden. Ein bestimmtes Denken ist es, das uns die «Freiheit des Gedankens» ermöglicht: nämlich das Nach denken der in Gedankenform ausgesprochenen übersinnlichen Forschungsgeheimnisse. Philosophische Naivlinge geben sich der Illusion hin, sie wären im Besitze der Freiheit, den Gedankeninhalt der «Philosophie der Freiheit» zu denken. Sie irren sich und ihr Denken ist denn auch darnach. Läge die Freiheit, den Inhalt der «Philosophie der Freiheit» zu denken, allgemein in den Möglichkeiten der Zeit, dann hätte Rudolf Steiner nicht nötig gehabt, zwecks Verständigung über den Inhalt des Buches «Die Philosophie der Freiheit» die Anthroposophie zu schaffen und zu lehren. Bequemer war nämlich diese Verständigung nicht zu haben. Rudolf Steiner war in der Lage gewesen, an Eduard von Hartmann, der 'bedeutendsten wissenschaftlichen Erscheinung seiner Zeit' ( nach dem Urteil Rudolf Steiners), die philosophischen Möglichkeiten der Zeit zu ermessen. Weniger bedeutende wissenschaftliche Erscheinungen sollten mit ihrem Schwadronieren über die «Philosophie der Freiheit» zurückhaltender sein! Wer philosophische Töne über die «Philosophie der Freiheit» von sich zu geben beabsichtigt, möge dies nur dann tun, wenn er in streng begrifflichen Deduktionen die Identität der beiden Grundbücher «Theosophie» und «Die. Philosophie der Freiheit» darzustellen vermag. Bitteschön!
Im genannten Vortrage, vom 17. Februar 1924 gibt R. St. einen Einblick in die kosmischen Bedingungen des anthroposophischen Freiheitserlebens. In unserer bewußt geisteswissenschaftlich als Karma verstandenen irdischen Existenz wirken die geistigen Wesen der Hierarchien. Sie wirken auf eine Weise, der gegenüber die wissenschaftlich erreichbare Naturgesetzlichkeit hausbacken erscheint. «Unser Leben wird ja wirklich ich möchte sagen von jener anderen Seite her mit einer viel größeren Weisheit geführt, als wir es hier führen, von dieser Seite her.» (Man ist höflich gebeten, das «wir» in dem Passu.9 «als wir es hier führen» wiederum esoterisch zu interpretieren.) «Wir Menschen sind ja, bewußt so furchtbar dumm, und das, was mit uns in der Welt geschieht, ist ja so unendlich gescheit. . .» (Zitate aus dem Vortrage vom 17. 2. 1924).
Worauf es ...
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