Wenn man in der Politik heute von ‹Alternativen› zu reden beginnt, ist das ein bedenkliches Symptom akuter Realitätsverweigerung. So zum Beispiel eins für alle erklärte Stoiber: «die richtigen Alternativen liegen auf dem Tisch. Es gibt in Deutschland kein Erkenntnisproblem, sondern ein Durchsetzungsproblem.» Jesuitisch weniger Geschulte, wie Gerhard Schröder, reden lieber vom ‹Umsetzungsproblemen›. Umgesetzt werden sollen Programme.
Die um- oder durchzusetzenden Programme sollen angeblich die selbstgeschaffenen aber bis jetzt unlösbaren Probleme lösen. Dabei wird in jesuitischer Manier diskret verschwiegen, daß die Probleme ja gerade aus den Programmen resultieren.
Programme bestehen aus Theorien und Handlungsanweisungen. In Afrika nennt man sie ‹Beschwörungsformel› und trifft sich im dunklen Busch, um sie in einem magischen Ritual ‹umzusetzen›. Heute trifft man sich auf Konferenzen oder in Kollegs, um die Beschwörungen rituell in die Wirklichkeit zu ‹implementieren›. Die Beschwörung mit Hilfe von Programmen ist heute allgemeiner Staatskultus.
Die verschiedenen Staaten unterscheiden sich dabei weltweit kaum in ihren beschwörungskultischen Handlungen. «Wer George Bush beten sieht, wird Hegels philosophische Engführung von Staat und Kirche nicht länger als Verschrobenheit des absoluten Geistes abtun.» [ Quelle]
Die Beschwörungen sollen gegen die böse Wirklichkeit helfen. Was aber hat die Wirklichkeit weltweit an sich, daß sie solche Probleme macht? Und daß alle Beschwörungen nichts nützen? Daß sie nicht erkannt wird. Und deshalb ganz aus dem Bewußtsein verschwindet! Aber sie hinterläßt nach der Verdrängung ihre Negativ-Form: Die unlösbaren Probleme.
Die verschwundene Wirklichkeit ist nun eine Frage, die nicht gestellt wird also die deutsche Frage. Und die deutsche Frage ist die Erkenntnisfrage. Nur die Erkenntnisfrage verzichtet ganz auf Beschwörungen. Sie fragt: Was ist? Und nicht: Was behagt? Sie fragt also zuerst nach sich selbst: Was ist Erkenntnis? Und dann nach dem realen Objekt. Die Beschwörungsprogramme aber sind dafür da, mit der Erkenntnisfrage gleich auch dieses reale Objekt zu beseitigen. An seine Stelle soll der gespenstische Voodoozauber treten, den man als die wirtschaftliche, staatliche oder geistige Wirklichkeit ausgibt. Bloß: das funzt nicht. Da stört immer etwas. Was? Die deutsche Frage natürlich. Die es angeblich nicht mehr gibt: Die Erkenntnisfrage. Oder vornehmer: Das Erkenntnisproblem. Daraus folgt:
Deutschland hat kein Erkenntnisproblem.
Deutschland ist das Erkenntnisproblem.
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