des dreigliedrigen sozialen Organismus ziemlich nebulos sind. Das Buch «Die Kernpunkte der sozialen Frage» ist den Zeitgenossen so gut wie unbekannt. Im Bewußtsein der Bewohner derWirtschaftswunderwelt existiert die «Soziale Frage» überhaupt nicht. Dabei sind die ungelösten Probleme auch heute noch die gleichen wie im Jahre 1918. Das gegenwärtige politische Kokettieren zwischen Links und Rechts verdeckt die von Rudolf Steiner sichtbar gemachte «wahre Gestalt» der sozialen Frage.» Nach oben
Fünf Aufsätze, die soziale Frage betreffend
Von Karl Ballmer 1954 für die sozialistische «Berner Tagwacht» geschrieben
I. Der Kapitalist als Schuldner [Feb.1954] 5
II. Was soll der Staat unterlassen ?. 9
III. Westdeutsches «Mitbestimmungsrecht». 12
IV. Die Vergesellschaftung der Produktionsmittel 16
V. Arbeit-Geber 20
Eure Wiedervereinigung, Brief nach Deutschland [1956]
Eure «Wiedervereinigung» ist im gleichen Grade utopisch wie die Wiedervereinigung der evangelischen und
der römischen Kirche. Die kommt nie, weil Rom-Bonn darunter die «Befreiung» von Verirrten und deren Rückführung nach alleinseligmachend Rom-Bonn versteht. Die Wiedervereinigung der evangelischen und katholischen Kirche würde die radikale Destruktion der beiden geistigen Organisationen voraussetzen. Nur der gegenwärtige «Christus» selbst kann der benötigte Zertrümmerer sein. Das Zertrümmern fällt in die einfache Feststellung des «Christus», daß seine gegenwärtige Wiederkunft nicht in der Kirche stattfindet. - Für die Wiedervereinigung der beiden deutschen Staaten besteht die gleiche Bedingung: Nur die Destruktion des östlichen wie des westlichen Satellitentums ermöglicht die Einigung, und wiederum hat man sich unter Destruktion mehr geistige als politische Taten vorzustellen.
Man sei doch unbefangen! und konzediere dem Weltgeist, daß die deutsche ‹Wiedervereinigung› in aller Welt nichts anderes sein kann als der den Deutschen von Gott abgeforderte Beitrag zur Lösung der «Sozialen Frage» (die es nur leider in gegenwärtiger Zeit im Bewußtsein der Teilnehmer am Wirtschaftswunder gar nicht gibt). ... Nach oben
Eine Konzeption des Kapitalismus»
Es scheint das große Vorurteil unserer Intelligenz zu sein, vom Kapitalismus lasse sich nur mit schlechtem Gewissen
sprechen. Während an Apologien des Antikapitalismus nicht gerade Mangel herrscht, würde es kaum möglich sein, in der sozialwissenschaftlichen und politischen Literatur auf eine herzhaft frisch‑fromme Apologie des Kapitalismus zu stoßen. Wenn etwa der moderne Soziologe den Heilsweg bei der Diskriminierung der Kommandowirtschaft beginnen und ihn in die echte Marktwirtschaft einmünden läßt, so braucht dabei Erscheinung und Begriff des Kapitalismus nicht so nachdrücklich zum Thema zu werden, wie es wünschenswert sein kann. Die bloß implizite Bejahung des Kapitalismus wirkt verschämt, was auf Skeptiker und Mutlose ‑ es gibt sie bis weit in die Reihen des traditionellen Liberalismus hinein ‑ nicht ohne Wirkung sein kann. Auf der Seite der Kapitalismusgegner aber besteht die Schwierigkeit, daß man bei der Konzipierung des Kapitalismusbegriffes ethische Kriterien mit solchen der reinen Intelligenz unzweckmäßig vermengt. Auf die Gefahr hin, von zwei Seiten mißverstanden zu werden, ist zu behaupten: So echt die Empfindungen gekränkter Menschenwürde gegenüber einem kämpferisch als «Kapitalismus» bezeichneten System sind, so wenig sind diese Empfindungen geeignet, den Blick unbefangen zu machen zur Gewahrung von so etwas wie Kapital..... Nach oben
Die Aktie, Symbol der Schande
Der demagogische Wahlzauber, der das Volkswagenwerk per »Volksaktien« als Erhard'sches »Eigentum für alle« in Aussicht stellt, bietet die Gelegenheit für eine »dreigliedrige« Grundlagenbesinnung.
Der christlich-populäre Appell an die egoistischen Besitzinstinkte des Wahlvolkes ist bequeme Demagogie; die Demagogie der Nationalsozialisten mit ihrer Maxime »Gemeinnutz geht vor Eigennutz« war immerhin weniger bequem. Die Propaganda des Bundeswirtschaftsministers Erhard für seine »Arbeiteraktie« läßt diese als die Krönung der »sozialen« Marktwirtschaft erscheinen. Entsprechend lautet die Erhardsche Sozialdefinition der »Volksaktie« »gewinnbringendes Eigentum«. Diese freimütige Definition soll uns bei der kritischen Betrachtung der Aktie überhaupt leiten. - Wir brauchen es nicht zu verhehlen, daß uns der Begriff der »sozialen Marktwirtschaft« ein Etikett ist für etwas, das sachgemäß »Profitkapitalismus« zu heißen hätte. Wir übersetzen unbefangen »Neoliberalismus«, »Ordoliberalismus«, »Marktwirtschaft« usw. mit Profitkapitalismus. Wir unterscheiden den Profitkapitalismus von einem anderen Kapitalismus, der dem Prinzip verpflichtet ist: Gemeinnutz geht vor Eigennutz. Nicht in Washington und Moskau aber in Deutschland kann an Identitäten gedacht werden, die anderswo bloß krachende Gegensätze sind, z. B, an die Identität von Kapitalismus und Sozialismus. Popelig-dämliche Fragestellungen wie »Christentum und Marxismus« sind uns kein Thema. Nach oben
Kredit (Leserbrief an die FAZ, 1956)
(Abschrift des K.B. Manuskripts Nr. 60)
FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG, Nr. 41, S. 7, vom 17.2.1956 "Wenn eine Ware knapp wird, so steigt der Preis. Auch das Geld am Kreditmarkt ist eine Ware, die sich diesem Markmechanismus nicht entziehen kann."
Euer Bonner‑Evangelium, die «Freie Marktwirtschaft», indiziert intellektuelle Anspruchslosigkeit. Eure Intelligenzbescheidenheit läßt Euch übersehen, daß auf dem Markte des Lebens Dinge verkehren, für die es einen Marktpreis nicht geben kann. Daß der Glaube, der Kredit, ein Handelsartikel sei, ist nicht ohne weiteres sicher. Wenn der Kredit, der Glaube, käuflich und verkäuflich ist ‑ Ihr erinnert Euch ‑ so war das einmal der Anlaß für Luthers Reformation. Mit der seid Ihr zwar fertig geworden, indem Ihr «Kreditanstalt» auf zweifache Art leset : am Sonntag ist sie die Kirche, am Werktag ist sie die richtige Kreditanstalt an der Bahnhofstrasse.